Über

Second Truth

Unter dem Label „Second Truth“ setzen sich Künstler, Filmemacher, Musiker und Journalisten aus der ganzen Welt in kurzen Videos mit sozialen und politischen Brennpunkten unserer Zeit auseinandersetzen. Die entstandenen Musikfilme (Melts) kommen dabei ganz ohne Worte aus und sind eine Mischung aus Music Clip und Kurzfilm.

Die Wahrheit ist relativ. In Zeiten von YouTube und Facebook sehen wir das Tag für Tag. Durch unsere Vernetzung, ist ein öffentlicher Raum entstanden der unreguliert ist. Im Gegensatz zu herkömmlichen Medien wird in ihm jeder von uns zu einem Sender und die Wahrheit zu einer Ware mit der Deutungshoheit und Macht ausgeübt wird. Diejenigen, die für uns die Welt und die Wahrheit interpretieren, werden aus diesem Grund immer wichtiger.

Die Menschen, die unter „Second Truth“ Melts veröffentlichen, möchten unseren Blick erweitern, uns eine Alternative anbieten. Eine „zweite“ Wahrheit.

Julian Treemaker

 

Geboren im März 1976 als einziger Sohn eines Schauspielerpaares. Aufgewachsen zwischen Berlin, München und Düsseldorf in einer Theaterfamilie, begann Julian selbst als Schauspieler. Mit zwanzig Jahren wechselte er zur Musik. Plattenvertrag mit einem Indie-Label, langjährige Tätigkeit in der Werbemusikbranche. 2017 Start der Kurzfilminitiative „Second Truth“.  

„Falsch ist immer nur das, was zu einer bestimmten Zeit falsch ist.“

Melts

Ein Melt besteht im Wesentlichen aus drei Elementen. Eine Haltung repräsentiert durch eine Person, ein Thema gestellt durch eine soziopolitische Frage und einen Kommentar durch Musik. Durch diese drei Elemente entsteht eine Art persönlicher Essay im Gewand eines Snapchat Tweets. Ein Melt macht aus Nachrichten und Headlines, die an uns vorbeirauschen, wieder eine emotionale, greifbare Geschichte.

Konzert

Second Truth” ist auch eine Konzertreihe. In Programmkinos werden Melts live begleitet von Musikern wie in Stummfilmzeiten aufgeführt. Anfang des 19. Jahrhunderts, als der Film noch jung war, war er genau wie ein Melt, stumm. Trotzdem verbreitete er sich rasend schnell, denn ein Stummfilm hat einen entscheidenden Vorteil: es gibt keine Sprachbarrieren. Eine Filmvorführung war gleichzeitig immer auch ein Konzert. Spielmänner begleiteten das was auf der Leinwand geschah mit Musik und Geräusch. In Japan entstand so eine ganz eigene Kunstform. Die Benshis, waren Erzähler, Schauspieler, Sänger und Kommentator in einer Person. Sie ergänzten den Film mit eigenen Erklärungen und Interpretationen. Sie erlangten dabei die gleiche Berühmtheit und Stellenwert wie der Film selbst. Ein Melt bringt das Medium Film wieder zurück zu seinen Wurzeln. Universal verständlich, zeitrelevant und als eine eigene Kunstform für sich.

Warheit

Als wir 1999 das Internet eroberten, betraten wir eine neue Welt. Wir konnten sein wer wir wollten, Meinungen oder Schlagzeilen produzieren, Wissen austauschen und uns hinter fremden Profilen verstecken. Die Kommunikation veränderte sich grundlegend und hat uns untereinander nähergebracht. Doch gleichzeitig zerfällt die Gesellschaft auch in viele kleine Meinungsräume. Und diese Fragmente in die wir eingeteilt werden, haben immer weniger Austausch und Verbindungen untereinander. Große Stimmungsbilder tragen heute einen offenen Kampf aus und es sieht zumindest so aus als wären wir eine tief gespaltene Gesellschaft. Damals 1999 waren wir noch wie Kinder. Heute befinden wir uns in einem waschechten Krieg um nichts weniger als die Deutung über unserer Wahrheit.

Interpreten

Die Wahrheit ist eine der interessantesten Erfindungen. Je mehr wir uns in die Virtualität entwickeln, umso mehr zeigt sie ihre wahre Natur. Das macht vielen Menschen Angst. Unser Geist baut und vertraut auf ein konsistentes Bild seiner Umgebung. Wenn etwas in unmittelbarer Nähe zu uns passiert, etwas also absolut ist, ist es für die lokale Umgebung Wahrheit und ein Zweck in sich. Sendet aber jemand diese lokale in die globale Wahrheit, ist entscheidend, was mit Ihr bezweckt wird. Sie ist dann keine Wahrheit mehr, sondern wird zu einem Instrument. In einer Epoche in der noch nie so viele Menschen gleichzeitig senden konnten ist es kaum verwunderlich, dass sich heute so viel um die „Wahrheit“ dreht. Allein es ist nicht die Zeit der Wahrheit, sondern die Zeit der Interpreten.

Und damit kommen wir zum Kern: den Maschinen. Ohne sie könnten wir nichts erkennen. Nur sie können die Mengen an Daten für uns aufbereiten. Wissenschaft, Mathematik und Information. Alle Disziplinen sind auf sie angewiesen. Sie filtern, interpretieren, ordnen, klären und werden immer mehr zu unserem eigentlichen Verstand. Das Denken wandert aus uns heraus in einen Prozess außerhalb unseres Körpers, über den wir keine Kontrolle mehr haben werden. Problematisch dabei ist nicht, dass diese Entwicklung so schnell stattfinden, sondern so langsam. Stück für Stück gewöhnen wir uns an den nächsten technischen Schritt und tauschen immer mehr Kontrolle gegen Komfort.

Maschinen

Unser Gehirn funktioniert wie Spuren im Sand. Als Kinder sind wir ein unbeschriebenes Blatt. Wenn wir beginnen die Seiten füllen, entscheiden wir uns für bestimmte Wege und je öfter wir diese Wege gehen, werden unsere Spuren tiefer. Wir sind vielleicht schneller aber auch unbeweglicher. Interessanterweise ist es genau diese Mechanik, der sich die Maschinen bedienen. Sie zeigen uns das was in unser Weltbild passt und so fällt es uns immer schwerer andere Gedanken nachzuvollziehen. Wir altern im Kopf. Dazu kommt, dass wir gleichzeitig auch länger leben. Und durch unsere Optimierung bleiben diese festgefahrenen Gedanken länger in der Welt. Denkt man das zu Ende, so ist vielleicht die Angst zu sterben unser größter Gegner im Kampf um die Wahrheit.